Everlast : Whitey Ford über Musik, das Business und La Coka Nostra. Teil 1

Am letzten Samstag hatte ich die Chance, ein Interview mit Everlast zu führen. Begleitet von meiner Kollegin Tash, die eigentlich für Video und Foto verantwortlich sein wollte, betraten wir gegen 16:00 Uhr den Backstage Bereich der Live Music Hall. Dort trafen wir auf den Tour Manager, die Band und auch auf Danny Boy, der Erik auf der Tour begleitet und gerade an seinem Mac Book arbeitete.

Das Interview startete ernüchternd. Keine Fotos! Kein Video! Ein vom Tour Bus gezeichneter Erik Shrody bat aber um Verständnis, dass man ihn so auf keinen Fall fotografieren könne. Er lud uns ein, das Konzert zu besuchen und vor der Bühne unsere Fotos zu machen. Kein Problem, wollten wir ja sowieso.

Wie gesagt. Eigentlich sollte das Ganze ein Interview werden. Kurz, knackig und nur maximal 20 Minuten lang. Als wir dann nach gut 50 Minuten den Raum verließen war aus dem Interview ein interessantes und ausführliches Gespräch geworden, welches 9 (!) Seiten lang ist und welches ich euch hier in zwei Teilen und ungekürzt präsentiere.

C: Ich möchte gerne wissen was Dich musikalisch am Ball bleiben lässt. Was motiviert Dich immer wieder zu all diesen verschiedenen Dingen? Du bist als Syndicate Rapper bei Ice-T an den Start gegangen und hast mit Danny und Lethal House Of Pain gegründet. Danach folgte Deine Solokarriere mit insgesamt vier Alben, einem Grammy – zusammen mit Carlos Santana, und am Horizont warten schon Ill Bill, Danny, Slaine und Co. Um Dich in Sachen La Coka abzuholen.

E: Ich bin schnell gelangweilt wenn ich immer dasselbe mache. Ich liebe es Musik zu machen, doch sollte immer mal wieder etwas Neues kommen. Neue Herausforderungen. Immer wieder. Es sollte mir Spaß machen – das ist was für mich zählt. Solange es mir Spaß macht, ist es cool.  Ich bin fast Vierzig. Wenn ich es heute nicht für den Spaß an der Sache mache, wann dann?

C: Ich war auf Deiner allerersten Show in Deutschland. In den Neunzigern. Damals waren Consolidated und Senser mit euch auf Tour. Meine Jungs und ich mussten uns damals jemanden suchen, der uns nach Köln fährt, da wir selber noch keinen Führerschein hatten. Es war eines der geilsten Konzerte auf denen ich jemals war, ohne Quatsch.

E: [Lacht] Oh, Du hattest also ein Auge auf mich seit dieser Zeit? Das ist cool.

C: Ich habe seit dem nicht viel verpasst, glaube ich.

E: „I been around for a minute, man. Damn!“

C: Love, War And The Ghost of Whitey Ford ist mein persönliches Album des Jahres 2008. Wenn jetzt nicht noch ein La Coka Nostra Release kommt, ändert sich daran auch nicht mehr viel.

E: Danke, Mann!

C: Nein, im ernst. Klingt vielleicht cheesy, ist aber ernst gemeint. Ich habe Freude daran es zu hören. Es gibt keinen Track darauf, der mir so gar nicht gefällt. Es ist ein gutes Paket.

E: Damit könntest Du echt Recht haben

C: Erzähl mir etwas über das Album aus Deiner eigenen Sicht. Es klingt so vertraut und doch völlig anders, verglichen mit den anderen Whitey Ford Alben.

E: Es klingt so vertraut weil ich meine Songs immer noch auf dieselbe Art und Weise schreibe. Ich habe meine Gitarren und einen Raum in meinem Haus. That´s it! Dort entsteht meine Musik. Doch bei diesem Release habe ich mich dazu entschieden das Ganze ein wenig mehr aggressiv klingen zu lassen. Mehr Live Instrumente, weniger Drum Computer. Das ist es was „… The Ghost Of Whitey Ford“ bedeutet. Der Geist der alten Alben ist noch da aber der Sound ist anders und experimenteller.

>> Ich erzähle ihm, dass ich viele Menschen kenne, die seine Musik feiern, obwohl ich denen das niemals zugetraut hätte. Entweder weil sie die musikalischen Scheuklappen fest ins Gesicht montiert haben oder weil sie schlicht und ergreifend keinen Bock auf diese Art von Musik hatten. Bis heute!

E: Ich sage immer, dass es keine wirklichen Genres gibt. Es gibt nicht nur Rock n Roll oder nur Country oder nur Blues. Alles basiert auf einander. Für mich macht das keinen Unterschied. All diese Musikstile sind für sich genommen einzigartig. Aber ohne einander hätte es den nächsten Schritt, die nächste Weiterentwicklung, nie gegeben.

>>Ich erzähle ihm, dass Afrika Bambaataa mir mal gesagt hat, dass er hunderte Platten durchhören muss, um den perfekten Beat zu kreieren. Fast alle dieser Platten stammen nicht aus dem selben Genre wie der Beat, der am Ende daraus hervor gehen soll.

E: Richtig! Das meine ich. Man muss so viele verschiedene Platten hören, so viele Samples checken um am Ende einen Beat zu haben, der die Menschen bewegt und begeistert.

Genres sind eine Erfindung von Marketing Leuten, die es den Kunden einfacher machen wollen sich irgendwo einreihen zu können. Sie verpassen einem Künstler ein bestimmtes Image und ordnen ihn irgendwo ein. Das hat in meinen Augen nichts mit der Musik zu tun – nur mit dem Verkaufen.

Musik muss meiner Meinung nach nicht kategorisiert werden. Musikstile entwickeln sich stetig weiter und bauen aufeinander auf. Nichts ist wirklich neu! Es hat alles schon einmal gegeben in anderer Form und auch in einem anderen Genre. [Lacht]

Im Grunde war es schon bei Mozart und Beethoven so. Auch die haben an ihren Sounds so lange geschraubt bis ihre Musik die Menschen bewegt hat. Das ist es was jeder ernsthafte Künstler probieren sollte.

Politik:

C: Als ich den Track „Kill The Emperor“ das erste Mal gehört habe, hatte ich George W. Bush vor meinem geistigen Auge während ich die Strophen verfolgte. Liege ich da falsch oder von wem sprichst Du?

E: Weißt Du, der Track ist definitiv von George W. Bush inspiriert worden. Aber er wurde ebenso von der Frage inspiriert, die sich viele Deutschen stellen könnten. Wenn ich Adolf Hitler gekannt hätte bevor er zum größten Verbrecher der Weltgeschichte wurde und wenn ich gewusst hätte das dies passiert – hätte ich etwas dagegen getan?

Das ist die philosophische Frage hinter diesem Track.  Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich diesen Kerl davon abgehalten? Und wie hätte ich das getan?

Und um Deine zweite Frage zu beantworten: Der Emperor ist jeder, der auf einem Thron sitzt. Ein Präsident darf kein Emperor sein.

C: Das ist auch meine Meinung und nach Adolf Hitler haben wir Deutschen auch eine Menge dafür getan weit weg davon zu bleiben, von dem was Adolf Hitler für richtig gehalten hat.

E: Genau,.. und wir Amerikaner sollten ab jetzt auch ernsthaft versuchen uns von dem Verhalten eines Mister Bushs zu entfernen. Das kann uns nur gut tun.

C: Wo wir gerade darüber reden. Barack Obama. Was denkst Du? Ist er der richtige Präsident für die Vereinigten Staaten? Ich frage Dich das weil Barack Obama in Deutschland ebenso ein Hype-Thema war wie in den USA. In Berlin haben ihn Menschen so sehr gefeiert als wäre er unser nächster Bundeskanzler oder Bundespräsident. Vielleicht hast Du die Bilder ja gesehen von seinem Auftritt hier. Sein Konkurrent McCain hat sie ja sogar in einem Anti-Werbespot verarbeitet.

E: „You know,.. that shows how fucked up George Bush was.“

Wir Amerikaner brauchen nur einen netten und intelligenten Kerl finden, der aussieht als könnte er anders sein und das Land in bessere Zeiten führen – und die ganze Welt feiert. Weil dieses andere Arschloch so lange Präsident der Vereinigten Staaten war und so viel kaputt gemacht hat.

Mir ist es so was von egal, ob mich in meinem eigenen Land jemand für meine Meinung scheiße findet. Ich sage was ich denke und kümmere definitiv mal einen Scheiß darum, was andere Menschen von mir denken oder über mich sagen. Darum kann ich Dir das auch genau so sagen.

[Gelächter]

Barack Obama? Ich habe für ihn gestimmt, obwohl ich denke, dass der weltweite Hype ein wenig zu viel des Guten war. Ich meine, der Typ ist nicht Jesus und wird wohl auch niemals Jesus werden. Alles was er tun muss um es besser zu machen ist, dass er ehrlich sein sollte und kein Krimineller. Und schon ist er ein besserer Präsident. Alles andere kommt noch oben drauf. Als Bonus.

„All he has to do is not be a crook or a criminal and he is already a better president.

Ich denke, er wird ein guter Präsident sein. Das meine ich wirklich ernst. Auch wenn all diese weltweiten Reaktionen gar nicht einmal der Mensch Barack Obama selber ausgelöst hat – sondern viel mehr die Erkenntnis „George Bush ist bald weg.“

Der Typ hat eine Menge Brücken abgebrannt auf der Welt. Die Amerikaner haben ihren ganzen Scheiß auch irgendwann nicht mehr alleine durchgezogen. Wir haben jeden gefragt, ob er uns hierbei und dabei helfen kann. Und jeder war sofort dabei und schrie „Let´s go!“.

C: Wir nicht. Wir haben oft versucht uns raus zu halten. Denn die Welt beobachtet uns – seit dem Ende des Krieges und nach all dem was passiert ist. Du erinnerst Dich? Wir waren das mit dem Adolf Hitler. Da macht es sich nicht so gut, zusammen mit einer Weltmacht auf einen kleineren Gegner los zu gehen.

Und wenn wir doch mit am Start waren haben wir nie offen gekämpft sondern haben unsere Möglichkeiten und Know How zur Verfügung gestellt. Es gibt da einige Länder, die uns gut im Auge behalten haben in den letzten sechzig Jahren. Und das ist auch OK so.

[Lacht]

E: Ihr wart ja nicht die einzigen, die sich aus dieser Irak Schande heraus gezogen haben. Es war eine Schande was wir da gemacht haben und immer noch tun. In Afghanistan waren noch alle mit dabei. Das war kurz nach dem 11.9.2001. Aber als es dann in den IRAK ging – da standen wir irgendwann wieder fast alleine da.

Teil 2 folgt in den nächsten Tagen!